»Y: The Last Man«: Muss eine Welt ohne Machos und Mansplaining nicht zwangsläufig im Chaos enden? (2024)

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»Y: The Last Man«: Muss eine Welt ohne Machos und Mansplaining nicht zwangsläufig im Chaos enden? (1)

Ob die Genre-Bezeichnung »Postapokalypse« auf diese neue TV-Serie zutrifft, darüber lässt sich etwas länger nachdenken, was grundsätzlich schön ist. Denn Hardcore-Feministinnen könnten argumentieren, dass eine Welt, in der alle lebenden Wesen mit einem Y-Chromosom an einer mysteriösen Seuche sterben, nach jahrzehntelangem Kampf gegen das Patriarchat und um Geschlechter-Gleichberechtigung nicht unbedingt ein Katastrophenszenario sein muss.

Zu Beginn der Verfilmung des Comics »Y: The Last Man« steht aber zunächst mal dieser allerletzte Cis-Mann auf Erden an einer verwüsteten Straßenkreuzung in New York City und muss seinen ebenfalls männlichen Gefährten, ein kleines Kapuzineräffchen namens Ampersand, vor dem von einem Hochhaus herabstürzenden Wrack eines Helikopters retten. Um ihn herum liegen Männerleichen in aufgelassenen Pkw-Wracks, das Licht ist düster, die Stimmung bedrohlich – ein klassisches dystopisches Setting, man wartet förmlich auf Zombie-Horden, die gleich durch die verheerten Straßenschluchten stürmen. Denn natürlich bricht jegliche Infrastruktur zusammen, fallen Kraftwerke aus, stürzen Flugzeuge vom Himmel, drohen Versorgungsengpässe, wenn die Hälfte der Menschheit urplötzlich aus Mund und Nase blutet und tot umfällt.

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Aber vor allem bricht auch deshalb alles zusammen, weil systemrelevante Schlüsselpositionen – Piloten, Ingenieure, Konzernlenker, hochrangige Militärs, Politiker und Wissenschaftler – von Männern besetzt waren. Die Prämisse des 2002 von US-Autor Brian K. Vaughan und Zeichnerin Pia Guerra gestarteten Comics, der bis 2008 in Einzelheften veröffentlicht wurde, ist also klug und hinterlistig komplex zugleich: Kann eine Welt, in der Frauen allein klarkommen müssen, funktionieren? Oder versinkt ohne Machos und Mansplaining zwangsläufig alles im Chaos?

Warum denn so ernst?

Mit ihrem einzig überlebenden Antihelden Yorick, der sich keinesfalls in die Verantwortung eines Weltretters und Zwangsbegatters drängen lassen will, sondern eigentlich nur seine verschollene Verlobte aufspüren und ansonsten seine Ruhe haben will, schufen sie eine Figur, an der sich vielerlei Fragen über Gender-Zuschreibungen, Geschlechterrollen und tradierte Gesellschaftsformen verhandeln ließen. Das Tollste am Comic »Y: The Last Man« war allerdings, dass es bei allen Meta-, Horror- und Thriller-Überbauten eine zutiefst humorvolle, allzu menschliche Komödie war – anders als die TV-Serie, die nun nach mehr als einem Jahrzehnt erfolgloser Verfilmungsversuche beim Streamingdienst Disney+ zu sehen ist.

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Der bierernste, zeitgeistig monochrom in Szene gesetzte Ernst, mit dem das fast rein weibliche Team aus mehreren Regisseurinnen sowie Show-Schöpferin und -Autorin Eliza Clark zu Werke geht, verdirbt ein wenig den Spaß an der eigentlich gelungenen Adaption. Dabei ist es ein Glücksfall, dass die ursprünglich geplante Kinoversion von »Dark Knight«-Autor David S. Goyer mit Hauptdarsteller Shia LaBeouf nie zustande kam und weitere Film- und Serienprojekte immer wieder über sogenannte kreative Differenzen stolperten. Zu verlockend wäre es wohl noch vor zehn oder auch fünf Jahren gewesen, das vielschichtige und personalreiche Comic-Narrativ letztlich doch auf eine griffige, maskulin zentrierte Befindlichkeits-Exegese zu reduzieren.

Diverses Ensemble – mit einer nervtötenden Randfigur

Die junge Produzentin Clark (»Animal Kingdom«) stellt jedoch bewusst die Akteurinnen in den Vordergrund und breitet ein Panorama unterschiedlichster Ideologien und Frauencharaktere aus. Sie schafft sogar Raum für die Problematik von Trans-Männern, die im Comic nicht berücksichtigt wurden, stellt binäre Gender-Narrative grundsätzlich infrage und transportiert den Stoff damit in den Debattenraum der beginnenden Zwanzigerjahre dieses Jahrhunderts.

Diane Lane glänzt als unfreiwillig in die Verantwortung genommene Demokraten-Senatorin Jennifer Brown, die den verstorbenen republikanischen US-Präsidenten im Amt ablöst. Sie ist außerdem die Mutter von Nichtsnutz Yorick (Ben Schnetzer), der sich als Zauber- und Entfesselungskünstler durchschlägt, und seiner zornigen Schwester Hero (Olivia Thirlby), einer Krankenwagenfahrerin mit Männer-Issues.

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Zahlreiche weitere Protagonistinnen, bis ins Kleinste hervorragend besetzt, runden ein diverses weibliches Ensemble ab, dessen einzig nervtötende Randfigur mehr und mehr der einzige Mann wird. Zumindest in den ersten Episoden wirkt er wie ein störrisches, egoistisches Kind, das den Erwachsenen des neuen Matriarchats beim Bewältigen und Organisieren der Krise zunächst nur hinderlich ist. Zumal seine bloße Existenz auch noch vor einer unzufrieden in den Straßen demonstrierenden Bevölkerung geheim gehalten werden muss. Für Verschwörungsmythen und politisch brisant: Warum sollte ausgerechnet der Sohn der neuen Präsidentin überlebt haben?

Eigentliche Hauptdarstellerin der Serie ist folglich nicht er selbst, sondern die lakonische Agentin 355 (Ashley Romans), die sich in den Wirren der ersten Wochen nach dem Männersterben als Personenschützerin für die Präsidentin verdingt, dann aber zu Yoricks schlagkräftiger Aufpasserin wird – mit allen gemeinhin maskulin konnotierten Attributen, über die er partout nicht verfügt. Zusammen begeben sie sich auf die gefahrvolle Reise, auf der Suche nach Freundin Beth, Schwester Hero, seinem Platz in dieser sich neu ordnenden Welt – und natürlich auch nach der Antwort auf die Frage, was ausgerechnet ihn und sein Äffchen gegen die Seuche immunisiert.

Fünf Staffeln hat Eliza Clark für ihre »Y: The Last Man«-Saga veranschlagt, dafür muss die bisher noch etwas hüftsteife, zwischen Action-Anspruch und Drama schwankende Serie ein Publiku*mserfolg werden. Es könnte helfen, etwas barmherziger und humorvoller mit dem einen Kerl umzugehen, übrigens der Sohn eines Shakespeare-Professors. Ach, armer Yorick.

»Y: The Last Man«: Ab Mittwoch, 22. September bei Disney+

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Author: The Hon. Margery Christiansen

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